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Es war mir eine Ehre

Liebe Köwericher,
nach 10 Jahren endet meine Amtszeit als euer Ortsbürgermeister.
Es war eine unglaubliche Reise, die erstens gar nicht geplant war, zweitens komplett anders verlief als ich mir das vorgestellt hatte und drittens die mich sehr geprägt hat.
Und bevor ich die Bühne verlasse, möchte ich noch ein paar Geheimnisse teilen.

Warum macht man sowas verrücktes überhaupt?

Vor 10 Jahren verließen die politischen Urgesteine mehr oder weniger gleichzeitig die Bühne und es war keine Nachfolge da. Zu groß schien der Schritt aus der Komfortzone für einen Neueinsteiger und kein Köwericher wollte als Bürgermeister ran, um die Verantwortung für eine Kita mit 40 Kindern, für 14 Angestellte, die Finanzen der Ortsgemeinde und die gesamte Dorfentwicklung zu übernehmen.

Warum also so ein aufwändiges, vermeintlich undankbares Ehrenamt übernehmen, bei dem man sowieso nichts bewegen kann, das auch noch in der Freizeit bei voller Berufstätigkeit?

Die Diskussionen dauerten ohne Ergebnis den ganzen Sommer 2014 und ich erinnere mich an die Aussage eines Ur-Köwerichers, der mir in seiner Verzweiflung folgendes sagte: “Fragt doch mal in Leiwen nach, ob die uns aufnehmen. Mit dem Sascha kann man doch reden”.
Ob das jetzt Satire war oder nicht, für mich war es jedenfalls der letzte notwendige kleine Schubser, mich aus der Komfortzone zu bewegen und mich der Wahl zum Ortsbürgermeister zu stellen.

In Wirklichkeit waren es aber andere Persönlichkeiten, die mich inspiriert hatten, so ein komplexes Ehrenamt zu übernehmen.

Der erste im Bunde war Franz-Peter B., ehemaliger leidenschaftlicher Vertreter unseres Wahlkreises im Bundestag. Er sagte zu mir folgendes: “Ihr seid das erbärmlichste Dorf im Regierungsbezirk Trier”. Das war natürlich eine rhetorisch gekonnte Provokation. Ihm war klar, was vielen nicht klar war. Ein Dorf was seine Selbstbestimmung aufgibt wird nur noch ein Schatten seiner selbst sein. Ich musste ihm uneingeschränkt Recht geben und wollte nicht als Looser in die Geschichte eingehen.

Der zweite Inspirator war mein ehemaliger Chef und zum Schluss Vorstandsmitglied bei meinem Arbeitgeber, William S., ein waschechter Amerikaner. Bei seiner Verabschiedung verriet er uns seine Erfolgsgeheimnisse. Eins davon war folgendes: “Be a good citizen” (“Sei ein guter Bürger”). Er erklärte uns, dass beruflicher und privater Erfolg nur dann möglich sind, wenn man in einer funktionierenden Gesellschaft leben darf. Das funktioniert nur, wenn möglichst viele einen Beitrag leisten. Ich verabscheute schon immer Trittbrettfahrer und wollte meinen Einsatz für die Gesellschaft erhöhen.

Der dritte Inspirator im Bunde war Campino, der Sänger der Punkrock-Band Die Toten Hosen. Er antwortete einmal in einem Interview auf die Frage, was die Toten Hosen so erfolgreich gemacht hat: “Wenn du eine Band gründen willst, und du hast die Wahl zwischen einem Freund und einem Musiker, dann wähle den Freund. Das mit der Musik entwickelt sich dann irgendwann schon.”

Es kommt auf die Haltung an, nicht auf Parteibücher oder Mitgliedschaft in politischen Seilschaften. Diesbezüglich waren die Voraussetzungen in Köwerich ideal. Der frisch gewählte Gemeinderat bestand ausschließlich aus Persönlichkeiten mit Haltung und wenig Ahnung von Kommunalpolitik, inklusive mir selber natürlich.

Ich wollte den Beweis antreten, dass wir es als funktionierendes Team hinkriegen. Mit modernen Strukturen sollte sich jeder einbringen und Verantwortung übernehmen können. Der Ortsbürgermeister nicht mehr der alleinige Macher, sondern als moderne Führungskraft und Köwerich als ein großes Team. Das vom Trierischen Volksfreund benannte „Köwericher Modell“ sollte später noch vielen anderen Gemeinden als Vorbild dienen.

Die Wetten standen allerdings 10:1 gegen uns, die Schwarzmaler dominierten damals.

Damit es auch wirklich Punk war und meine Motivation glaubwürdig erschien, entschied ich mich dazu, die staatlich verordnete Aufwandsentschädigung als Ortsbürgermeister nicht anzunehmen, sondern Menschen zukommen zu lassen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. So durften sich viele Organisationen, unter anderem „Anna’s Verein – Unterstützung von Familien krebskranker Kinder“, „Fluthilfe Ahrtal“, „Welthungerhilfe“, „Trierer Tafel“ und „Nestwärme Kinderhospitz“ über insgesamt 66.073,- Euro freuen, die in den 10 Jahren zusammenkamen. Das war übrigens das einzige Versprechen, was ich gemacht hatte, und das hatte ich eingehalten. Alles andere, was in den 10 Jahren passierte, war Zugabe.

Kann man wirklich nichts bewegen?

Dieser Mythos sollte sich nicht bewahrheiten.

Köwerich steckt voller Talente in allen Altersgruppen. Und ganz viele davon brachten sich ein, um ihr Dorf weiterzuentwickeln. In einer Dorfmoderation entwickelten wir unser Leitbild (Köwerich ein Gehäjschnis – Verantwortung tragen, Gemeinschaft leben, Zukunft gestalten), Ziele und Projektideen. Das ganze Dorf zog an einem Strang und so konnten Dinge wahr werden, die kaum einer für möglich gehalten hatte.

Wir entwickelten ein Neubaugebiet „Im Wiesengrund“, investierten in den Straßenausbau. Ebenso moderner Glasfaserausbau für das ganze Dorf. Wir wurden Schwerpunktgemeinde in der Dorferneuerung, der damalige Innenminister Roger Lewenz überreichte uns eigenhändig die Ernennungsurkunde. Wir konnten die Dorfmitte neugestalten und bauten den heute stark frequentierten St.-Kunibert-Park. Wir bauten unsere kommunale Kita zu einem zukunftsfähigen Vorzeigebetrieb um, mit Qualitätsmanagementsystem und Pädagogik auf dem neuesten Stand, mit 9,5 Stunden Betreuungszeit für alle Kinder, mit gutem Personalschlüssel und guten Arbeitsbedingungen für unsere MitarbeiterInnen, regionaler frischer Küche und optimalem Verpflegungskonzept für unsere Kinder. Wir entwickelten gemeinsam mit unseren Nachbargemeinden einen Windpark, der uns zukünftig (voraussichtlich ab 2027) weitere finanzielle Freiheiten geben wird.

Kulturell erwiesen wir dem Notenschlüssel und der Traube in unserem Ortswappen die Ehre. Es entstanden unglaublich viele neue Veranstaltungen. Allen voran der Köwericher Weinfrühling als unser jährliches und überaus erfolgreiches Weinfest unter Beteiligung der Ortsvereine. In diesem Jahr wurde bereits die 6. Köwericher Ortsweinkönigin mit ihren Prinzessinnen gekrönt. Völlig losgelöst war unsere gesamte Region 2019, als unsere damalige Ortweinkönigin Marie Jostock sich im Finale durchsetzte und für 2 Jahre zur Gebietsweinkönigin der Mosel gekrönt wurde. Dann 2021 der Einzug ins Finale zur der Wahl zur Deutschen Weinkönigin, live im Fernsehen vor einem Millionenpublikum. Ganz Köwerich stand Kopf. Eine unglaubliche Werbung für uns als Dorf mit über 1.300 Jahre Weinbauhistorie. Es war für uns wie der Gewinn der ersten Fußballweltmeisterschaft. Köwerich war wieder wer, der Dornröschenschlaf war beendet.

Wir sind unserem Leitbild ein gutes Stück näher gekommen, das Dorf ist weiter zusammengewachsen, Köwerich ist ein attraktiver Ort zum Wohnen und zum Leben. Wir haben einen neuen Allzeit Einwohnerhöchststand von 426 Einwohnern. Das ist ein Zuwachs von 20% innerhalb der letzten 10 Jahre. Wir sind ebenfalls deutlich jünger geworden. Der letzte geburtenstarke Jahrgang 1969 wurde 2016 mit 11 Kindern überboten.

Ein undankbares Ehrenamt?

Dieser Mythos hat sich ebenfalls nicht bewahrheitet.

Die öffentliche Wertschätzung war unglaublich, das hatte ich so nicht erwartet. Zahlreiche überaus positive Presseberichte, allein 4 mal war das Fernsehteam des Südwestfunks in Köwerich und drehte Fernsehbeiträge. In meinem internationale beruflichen Umfeld hatte sich längst rundgesprochen, dass ich neben meinem anstrengenden Beruf noch „Mayor of Köwerich“ bin, viele meiner ausländischen Arbeitskollegen bewundern unser demokratisches System an der Basis und die Gestaltungsmöglichkeiten, die wir haben. Es war ein ständiges Gesprächsthema.

Unglaublich auch die vielen besonderen Menschen, die ich kennenlernen durfte und der Zuspruch, den ich erfahren durfte, gerade auch von der jungen Generation und bei weitem nicht nur in Köwerich. Es war eine ständige Inspirationsquelle. Nicht so gut lief die Zusammenarbeit mit den politischen Ebenen. Dass die Verbandsgemeindebürgermeisterin 7 Jahre nicht mehr auf einer Gemeinderatssitzung in Köwerich war, dürfte ebenso ein Novum in der Geschichte der Verbandsgemeinde sein, wie die Tatsache, dass man regelmäßig einen Rechtsanwalt braucht, um überhaupt als kleine Gemeinde wahrgenommen zu werden. Wertschätzung stelle ich mir anders vor. Im Gesamtbild war es jedoch unwichtig, es zeigt jedoch wie wichtig es ist, die Selbstständigkeit der Ortsgemeinde zu erhalten. Ich kann allerdings auch nicht ausschließen, dass ich der Geisterfahrer im System war.

Meine Erkenntnis?

Köwerich ist ein geiles Team mit unglaublichen Fähigkeiten. Wir haben Dinge hinbekommen, die kaum jemand für möglich gehalten hat. Die wirkliche Energie kommt von der Basis. Ich durfte in meiner Amtszeit so viele besondere Menschen kennenlernen. Es waren viele emotionale Momente, die ich niemals vergessen werde. Ich bin unglaublich stolz auf alles, was wir gemeinsam erleben durften und was wir erreicht haben.

In dieser Zeit habe ich viel lernen dürfen und konnte mich persönlich weiterentwickeln. Neue
Fähigkeiten, die mich auch beruflich weitergebracht haben.

Ich bedanke mich ganz besonders bei meinen Beigeordneten für das blinde Vertrauen und die großartige Arbeit als Gemeindevorstand, beim Gemeinderat, der durch seine Haltung stets ein Vorbild war, bei allen Bürgerinnen und Bürgern sowie bei den Vereinen, die sich so unglaublich eingebracht haben und das Dorfleben prägen. Mein Dank gilt auch unserem Gemeindearbeiter und dem Team der Kita für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und die beeindruckende Arbeit, die alle geleistet haben. Ebenso bedanke ich mich bei den Angestellten der Verbandsgemeindeverwaltung für die Unterstützung.

Mein besonderer Dank gilt meiner Familie, die mir immer den Rücken freigehalten hat, mich immer uneingeschränkt unterstützt hat und dadurch erst alles ermöglicht hat.

Es war natürlich auch anstrengend, 10 Jahre im Wind zustehen und ich freue mich darauf, mich wieder weiter hinten einzureihen. Mein Nachfolger steht bereit, am 30.07. vom Gemeinderat gewählt zu werden und ich wünsche mir, dass ihr ihm die gleiche Unterstützung zukommen lasst, wie das bei mir der Fall war.

Für mich war es eine sehr positive Lebenserfahrung, die mich geprägt hat. Auf die Frage „Würdest du es wieder tun?“ lautet die ganz klare Antwort „JA!“

Es war mir eine Ehre.

Köwerich, ein Gehäjschnis – Verantwortung tragen, Gemeinschaft leben, Zukunft gestalten

Köwerich, den 14.07.2024
Elmar Schlöder, Ortsbürgermeister

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